Description (deu)
Weltflucht - Weltsucht
"Der Selbstfindling erfährt sich in diesem Moment als das unheimliche Wesen, das schlechterdings kein Ding ist und das auch nicht im Widerschein der Dinge verstanden werden kann. Ich bin keines der Dinge - das bedeutet: ich finde keine Zuflucht beim Unmenschlichen mehr; ich bin, und weiß es jetzt, kein Stein, keine Pflanze, kein Tier, keine Maschine, kein Geist, kein Gott. Mit dieser sechsfachen Verneinung umzirkle ich den unheimlichsten aller Räume. Wer Mensch ist, lebt an einer Stelle, die sich selbst absolut auffällt. Ich bin von da an nur noch Schauplatz einer Frage. Mein Leben ist ein Theater des Zitterns darüber, dass ich anders zu sein habe als alles, was den Komfort genießt, Ding unter Dingen, Wesen unter Wesen zu sein. Warum trifft es mich?" - Peter Sloterdijk: Weltfremdheit, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1993, S. 17
Jeder von uns hat sie schoon einmal erlebt - Momente, in denen man am liebsten woanders und ganz bestimmt nicht in der Welt sein will!
Allzu gerne möchten wir uns in weltlose Zustände hineinbegeben, um so den unangenehmen Situationen, die die reale Welt für uns bereithält, entfliehen zu können. Doch wie Freud einst schon feststellte: "Das Leben zu ertragen bleibt ja doch die erste Pflicht aller Lebenden."
Trotzallem gelingt es den passionierten Weltflüchtlingen unserer Zeit nicht, ihre Sucht nach der Weltflucht zu überwinden. - Zu groß ist ihre Faszination für die radikale Innerlichkeit. Sie ziehen sich in ihre privaten "Innen-Wohnräume" zurück und lassen sich abwechselnd von einer schwebenden Klangwelt und von konzentrierter Stille umgeben.
"(...) ein neuer Typus von weltfremden, weltflüchtigen, weltüberfliegenden Menschen tritt auf den Plan. Sie denken mit einem Mal über große Negationen und Umwandlungen aller Dinge nach; eine unbekannte Leidenschaft für das Nichtseiende, Andere, Jenseitige und Weltferne ergreift von diesem Pioniergruppen der Geschichte Besitz." - Peter Sloterdijk: Weltfremdheit , Frankfurt/Main: Suhrkamp 1993, S. 54