Description (de)
Das künstlerische Forschungsprojekt “Stitches and Sutures” erforscht Möglichkeiten, gelebte Erfahrungen sichtbar zu machen. Ausgangspunkt ist das wiederholte Auftreten von Empfindungsstörungen, die durch eine chronische Krankheit verursacht werden. Diese Irritation in der eigenen Körperwahrnehmung bringt ein Gefühl der Entfremdung mit sich. Seit Jahrzehnten beschäftige ich mich mit textilen Darstellungen des Körpers und Körperlichkeit. Die Entdeckung, dass gegenwärtig erlebte Körperphänomene denen ähneln, die sich in meinen früheren Arbeiten verkörperten, wirft Fragen über Körperbewusstsein, Körpergedächtnis und das körperliche Unbewusste auf. Es handelt sich um innerkörperliche Phänomene, die durch die Erkrankung hervorgerufen und so wahrgenommen werden, als wären sie taktile Empfindungen. Eine der entscheidenden Fragen, die ich mir stelle, ist in der Tat eine doppelte: Welche Sprachen und Erinnerungen stehen mir zur Verfügung, um das Unsichtbare sichtbar zu machen? Und erleichtert mir die künstlerische Forschung den Umgang mit der Erkrankung? Dient sie mir als Unterstützung im Prozess der Wiederaneignung eines Körpers, den ich als fremd empfinde? Von besonderem Interesse ist auch die Frage, ob und wie subjektive Wahrnehmungen als ‘Verkörperungen’ visuell vermittelt werden können und welche Relevanz diese Verkörperungen sowohl für die Medical Humanities als auch im klinischen Kontext haben können. Der Titel des Projekts ist wörtlich als Arbeit mit Nadel und Faden zu verstehen, aber auch als konzeptuelle Herangehensweise. Ich stelle mir die Frage, ob ich Jacques Lacans ‘Naht’ (‘suture’) als Grundlage für eine künstlerische Methode verwenden kann. Dieser Begriff steht für einen Prozess, bei dem die Vergangenheit rückwirkend mit Stichen als Bedeutungsproduktion versehen wird. Textilmembranen und Zeichenpapier sind die ‘Leinwand’ für die Aufzeichnungen körperlicher Empfindungen und ein Mittel, das es mir ermöglicht, über den Übergang von der Empfindung zur Wahrnehmung und von der Wahrnehmung zur visuellen Darstellung zu reflektieren, ein Prozess, der in einem ‘Phänomenologischen Archiv der Körperempfindungen’ mündet.
Description (en)
The artistic research project “Stitches and Sutures” explores possibilities of making lived experiences visual. The point of departure is the repeated occurrence of sensory disturbances caused by a chronic disease. This irritation in one's own body perception brings on a feeling of alienation. For decades, I have been concerned with textile representations of the body and of corporeality. My discovery that bodily phenomena that I currently experience resemble phenomena embodied in my earlier artistic work has raised several questions about body consciousness, body memory, and the bodily unconscious (cf. Graf, 2018). At issue are inner-body phenomena caused by the disease and perceived as if they were tactile sensations. One of the crucial questions that I ask is in fact twofold: What kinds of language and what memories of past experiences are available to me in my efforts to make the invisible visible? And does the artistic research that I have undertaken make it easier for me to cope with the illness? Does it serve as a support to me in the process of reappropriating a body that I have come to perceive as foreign? Also of particular interest is the question of how and if instances of subjective perception can be conveyed visually as ‘embodiments’ and what relevance these embodiments can have with regard to the medical humanities as well as in the clinical context. The title of the project is to be understood literally as referring to work with needle and thread, but also as indicating a conceptual approach. I ask myself the question: Can I use Jacques Lacan’s notion of ‘suture’ as the basis of an artistic method? This notion signifies a process whereby the past is studded retroactively with stitches as a production of meaning. Textile membranes and drawing paper are the ‘canvas’ on which I record physical sensations and a means that enables me to reflect on the transition from sensation to perception and from perception to visual representation, a process that culminates in a ‘Phenomenological Archive of Body Sensations’.
Keywords (en)
Artistic Research (PhD in Art), Body Sensation, Drawing, Textile